Der Vorschlag der Europäischen Kommission
für ein EU-weites Verbot von Dental-Amalgam
soll im Sommer beschlossen werden
Der Vorschlag der Europäischen Kommission
für ein EU-weites Verbot von Dental-Amalgam
soll im Sommer beschlossen werden
Verwendet unsere Praxis noch Amalgam?
Nein. Wir haben in unserer Praxis die Verwendung von Amalgam schon vor über 25 Jahren komplett eingestellt. Bei Kindern und Jugendlichen haben wir es nie verwendet.
Im Jahr 2018 hat die EU die Verwendung des Materials bei Schwangeren und Kindern unter 15 Jahren verboten. Nur für diesen kleineren Personenkreis übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die höheren Kosten einer Kompositefüllung.
Wir bieten in unserer Praxis sowohl kostenfrei als auch kostenpflichtige Alternativen zum Amalgam an. Alle Patienten werden vor der Behandlung über eventuell anfallende Kosten bei der Versorgung mit höherwertigen Materialien informiert. Welche Konsequenzen ein EU-Amalgamverbot für die zukünftige Kostenübernahme von Kompositefüllungen ("Kunststofffüllungen") durch die Krankenkassen haben wird, können wir derzeit noch nicht abschätzen. Für das Jahr 2024 ändert sich erst einmal nichts.
Was ist Amalgam überhaupt?
Miteinander verschmolzene Mischungen von verschiedenen Metallen werden "Legierung" genannt. Legierungen haben andere und zumeist für den Menschen vorteilhaftere Eigenschaften als die Ursprungsmetalle. Sie verbinden sich dauerhaft und zerfallen auch unter Belastung nicht wieder in ihre Bestandteile. Der "Klassiker" unter den Legierungen ist die Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn. Die Härte dieser Legierung übertrifft die Härte von elementarem Kupfer oder Zinn bei weitem und stellte einen Meilenstein in der Metallverarbeitung dar (=> "Bronzezeit").
Eine ebenfalls bedeutsame Innovation war die Entdeckung der "Amalgame", der Legierungen des Quecksilbers. Dieser in der Zahnmedizin jahrzehntelang dominierende Füllungswerkstoff für den Seitenzahnbereich ist eine Metalllegierung, die bei Raumtemperatur durch das Zusammenmischen eines flüssigen Metalls (=> Quecksilber) mit feinen Spänen einer Silberlegierung (=> sog. "Feilung") entsteht. Diese besteht im Wesentlichen aus Silber, Zinn und Kupfer. Das Besondere an dieser Technik ist, dass für die Reaktion dieser Metalle zu einer festen Legierung (dem "Amalgam") kein Erhitzen erforderlich ist, die "Verschmelzung" also bei Körpertemperatur abläuft. Es entsteht eine außerordentlich belastbare Füllung von zunächst silbriger, später durch Ablagerung von Zinnoxid eher dunkelgrauer Farbe.
Diese genial einfache Methode des "Metallgießens" bei Mundtemperatur funktioniert allerdings nur unter Verwendung von Quecksilber, welches ungefähr die Hälfe des fertigen Werkstoffes ausmacht. Würde man Silber-, Zinn- und Kupferspäne alleine zusammenmischen, passiert bei Mundtemperatur gar nichts, die Metalle würden dann nicht miteinander reagieren oder zu einer Legierung verschmelzen. In einer mittelgroßen Amalgamfüllung stecken ca. 0,6 Gramm Quecksilber. Dieses ist in der Legierung fest gebunden und wäscht sich nicht einfach aus, wie vielfach vermutet wird. Eine gut gelegte Amalgamfüllung ist auch nach 20 Jahren weder verschwunden noch sichtbar geschrumpft! Durch die hochentwickelte Messtechnik zum Nachweis von Metallen kann allerdings gezeigt werden, dass ionisches Quecksilber (Hg2+) aus Amalgam in Spuren durch Korrosionsvorgänge und Abrieb freigesetzt wird, was Anlass zu vielfältigen Befürchtungen gab und gibt. Ionisches Quecksilber aus Amalgamfüllungen wird vom Körper zum Glück nur schlecht aufgenommen.
Ein größeres Gefahrenpotential geht von der Verdampfung von flüssigem, elementarem Quecksilber aus. Aus diesem Grund wurde der Verkauf von klassischen Quecksilberthermometern wegen der Gefahr des Zerbrechens mit Freisetzung von Quecksilberdämpfen in der EU 2007 verboten.
Eine langfristige Gefahr ist die Anreicherung von Quecksilber in der Natur und die dortige Entstehung von organischen Quecksilberverbindungen wie Methylquecksilber, welche über die Nahrung (insbesondere Fischereierzeugnisse) von Menschen aufgenommen und dann vom Körper in hohem Maße resorbiert wird. Dies kann zu ernsten Erkrankungen (=> Minamata-Krankheit) führen.
Als Konsequenz wurde in Deutschland schon Anfang der 1990er Jahre der Einbau spezieller Amalgam-Abscheider in allen Zahnarztpraxen in Deutschland Pflicht, um die Einleitung von amalgamhaltigen Abwässern in die Umwelt zu vermeiden. Alle Amalgamreste sowie gezogene Zähne mit Amalgamfüllungen werden als Sondermüll von spezialisierten Firmen entsorgt. Dies ist selbstverständlich auch für Praxen Pflicht, die wie unsere Praxis schon seit Jahrzehnten kein Amalgam mehr verwenden.
Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes soll nun EU-weit die gesamtem industrielle Verwendung von Quecksilber beendet werden (s. u.).
Vorteile des Werkstoffes Amalgam in der "Zahnheilkunde des letzten Jahrtausends"
Seit ungefähr 200 Jahren verwenden Zahnärzte Amalgam zur Reparatur von kariösen Defekten der Zähne. Das Material zeichnet sich durch seinen günstigen Anschaffungspreis, seine robust-einfache Verarbeitung und seine guten Erfolgsquoten gegenüber allen anderen zahnärztlichen Werkstoffen aus. Deshalb fand es rasch Verbreitung über die ganze Welt und wurde zur Grundlage der "Zahnerhaltung" für breite Bevölkerungsschichten. Alle Zähne im Seitenzahnbereich, die noch keine Krone benötigten, wurden mit Amalgam versorgt. In Deutschland war und ist dieses Material die "Regelversorgung" für kleine und mittlere Defekte im Seitenzahnbereich bei gesetzlich versicherten Patienten. Die Krankenkassen bezahlten deshalb auch "nur" die Kosten für eine Amalgamfüllung und nicht für damaligen teureren Alternativen, namentlich die Einlagefüllungen aus Gold.
Anfang der 1990er Jahre wurden die ersten ernstzunehmenden Alternativen zum Amalgam, die modernen Glasionomerzemente und Komposite (Mischungen aus Keramikpartikeln und Kunststoffen) vorgestellt. Insbesondere letztere erfordern eine andere und aufwendigere Verarbeitung als Amalgam. Die Trockenlegung des Arbeitsgebietes, die schrittweise Formgebung und die Erzeugung eines beständigen Haftverbundes zum Zahn sind bei diesen Materialien neue Herausforderungen für die Zahnärzte. Die Herstellung größerer Füllungen aus Komposite dauert deutlich länger als eine gleich große Amalgamfüllung.
Es dauerte eine Reihe von Jahren, bis die neu entwickelten Materialien und Techniken dem "bewährten" Füllstoff Amalgam ebenbürtig waren und die entsprechenden Langzeitstudien der Universitäten abgeschlossen waren. In dieser Zeit tobte gerade in Deutschland ein von den Medien hochgradig angeheizter "Amalgamkrieg" zwischen Befürwortern und Gegnern dieses Werkstoffes. Obwohl alle wissenschaftlichen Studien die generelle Unbedenklichkeit des Materials bestätigten, schoss in Deutschland die Zahl der "Amalgamallergiker" oder "Amalgamvergifteten" in Millionenhöhe. Im europäischen Ausland blieben diese Phänomene interessanterweise weitgehend unbekannt. Unstreitig ist, dass aus Amalgamfüllungen Spuren von Quecksilber entweichen und vom Körper aufgenommen und auch wieder ausgeschieden werden. Allerdings scheint der Körper mit diesen geringen Belastungen sehr gut klarzukommen. Dennoch ist eine Vermeidung von derartigen Belastungen grundsätzlich wünschenswert.
In Deutschland beträgt der Anteil der neu gelegten Amalgamfüllungen an den gesamten Füllungen im Jahr 2022 nach Schätzungen noch etwa 2,4%. Insgesamt ist der Trend seit Jahren rückläufig. Auch im europäischen Ausland ist die Situation ähnlich. Aufgrund der Möglichkeit, das Material auch unter strak erschwerten Bedingungen (Feuchtigkeit) zu verarbeiten, hat es allerdings noch eine Bedeutung bei der Behandlung von Menschen mit spezifischen Bedürfnissen. Deshalb ist ein absolutes Verbot unter Fachleuten nicht unumstritten.
In der Mitte der neunziger Jahre zeigte sich durch die technischen Fortschritte bei der Entwicklung neuer Füllmaterialien für unsere Praxis: "Das Bessere ist der Feind des Guten." Die Vorteile der neuen Technologie der Verbundtechnik von Zahn und Kunststoff (Adhäsivtechnik) ermöglichen mehr Substanzschonung bei der Füllungsgestaltung, mehr Stabilisierung der Restzahnsubstanz durch die Verklebung und eine bis dahin nicht für möglich gehaltene Ästhetik ("weiße Füllungen"). Dies war der Grund für den kompletten Umstieg unserer Praxis auf die neuen Technologien.
Warum soll Amalgam in der EU verboten werden?
Grund für die Bestrebungen der EU, die Verwendung von Amalgam und auch weiterere quecksilberhaltiger Produkte komplett zu verbieten, ist nicht etwa eine direkte Gesundheitsgefährdung durch Amalgamfüllungen, sondern Überlegungen zum Umweltschutz und der Schutz vor Belastungen durch Schwermettallen aus der Nahrung. 2013 wurde in der Minamata-Konvention durch die Vereinten Nationen beschlossen, die durch Menschen verursachten Quecksilberbelastungen der Umwelt zu reduzieren. Diese Konvention ist seit 2017 völkerechtlich bindend und wird demzufolge nun von der EU rechtlich umgesetzt.
Quecksilber und seine Verbindungen waren früher und sind auch noch heute in vielen Produkten enthalten. Viele Menschen erinnern sich noch an das rote Hautdesinfektionsmittel "Mercurochrom", das sie als Kind von den Eltern auf Schürfwunden aufgepinselt bekamen. Es enthielt den quecksilberhaltigen und desinfizierend wirkenden Farbstoff Merbromin. Inzwischen ist dieser Wirkstoff im Präparat durch das ungefährliche Povidon-Jod ersetzt worden.
Bekannte quecksilberhaltige Produkte sind Leuchtstofflampen ("Energiesparlampen"), Batterie-Knopfzellen und rote Farbpigmente (=> Zinnoberrot HgS). Alle diese Produkte müssen deshalb schon heute gesondert entsorgt werden und dürfen nicht in die Restmülltonne. Besonders absurd ist, wenn Quecksilber in kleingewerblichen Bergbaubetrieben zum Binden und leichteren Aussieben von Gold auch heute noch in großen Mengen in die Umwelt gelangt.
https://nachrichten.idw-online.de/2023/11/07/goldabbau-setzt-giftiges-quecksilber-und-enorme-mengen-kohlendioxid-frei
Die grundsätzliche Problematik bei der Herstellung und Inverkehrbringung quecksilberhalltiger Produkte ist die Gefahr der allgemeinen Verteilung dieses Schwermetalls in der Umwelt. Einmal dort ausgebracht und in biologische Kreisläufe gelangt, lässt es sich kaum wieder einsammeln. Da die Quecksilberbelastung in der Umwelt somit ansteigt, besteht die Befürchtung, dass in Zukunft Schwellenwerte überschritten werden könnten, was zu gesundheitlichen Gefahren führen könnte. Dies gilt selbstverständlich für alle potentiell gesundheitsgefährdenden Stoffe, die nicht bioliogisch abgebaut werden.
Dieses Problem wird dadurch verschärft, das sich Schwermetalle über die Nahrungskette in Pflanzen, tierischen Organismen oder auch dem Menschen anreichern und sich die Belastung hierdurch nochmals deutlich erhöhen könnte. Wer regelmäßig große Mengen an bestimmten Meeresfischen zu sich nimmt, nimmt möglicherweise schon heute mehr Quecksilber auf als wünschenswert.
https://www.bfr.bund.de/cm/343/pressemitteilung_efsa_quecksilber_in_lebensmitteln.pdf
Deshalb ist der Ausstieg aus der Quecksilberverarbeitung grundsätzlich sinnvoll. Dies bedeutet als Nebeneffekt vermutlich das "Aus" für die Amalgamfüllung, wenn nicht politisch entschieden wird, hier eine Ausnahmeregelung zu treffen.
Sollten jetzt alle bestehenden Amalgamfüllungen entfernt werden?
Nein. Wie schon erwähnt, hat sich an der Einschätzung der Sicherheit von Amalgamfüllungen für den einzelnen Patienten nichts geändert. Wer jetzt noch intakte Amalgamfüllungen hat, kann diese auch weiterhin belassen. Da die Verwendung von Amalgam in Deutschland kontinuierlich zurückgeht, löst sich das Problem irgendwann von selbst. Dass möglicherweise ab 2025 überhaupt keine Füllungen mehr dazukommen, beschleunigt den Ausstieg noch.
In unserer Praxis entfernen wir nur schadhafte Amalgamfüllungen und ersetzen diese dann durch modernere Materialien.
Fazit: Wir sollten dem Werkstoff "Amalgam" ein herzliches "Danke schön!" nachrufen, denn er hat viele Jahrzehnte gute Dienste geleistet und Millionen von Zähnen kostengünstig gerettet. All diese Zähne zu überkronen wäre um ein Vielfaches teurer gewesen und hätte niemals im Rahmen einer solidarischen "gesetzlichen" Versicherung geleistet werden können. Egal ob Amalgam in der EU komplett verboten wird oder nicht, wird seine Verwendung in Zukunft kaum noch eine Rolle spielen, denn es stehen heutzutage bewährte Alternativen zur Verfügung.