Zahnseide & Co.

Der Zahnzwischenraum - eine unbekannte Galaxie

Bedauerlicherweise ist diese "Galaxie" von fremden Lebensformen bevölkert, die uns übel wollen bzw. die auf unser Wohlergehen keinerlei Rücksicht nehmen. Zudem können wir Ihren Lebensraum nicht richtig einsehen, da die Zähne im Weg und die Zahnzwischenräume klein sind. Also freie Fahrt für freie Mikroben?

Lieber nicht. Eine aktuelle Studie aus Amerika zeigt, dass es nicht auf die Art des Reinigungsmittels (Zahnseide vs. Interdentalbürstchen) ankommt, sondern auf die Häufigkeit der Anwendung.  4-7 x Zwischenraumpflege in der Woche zeigte eine Reduktion von 40% der Wurzelkaries.
Hand aufs Herz: Da ist bei uns noch Luft nach oben!

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37316412/

Wie erlerne ich die Zahnzwischenraumpflege?

Die meisten Menschen haben sich ihre Kenntnisse selbst beigebracht oder von anderen abgeschaut.

Es gibt auf Internet-Pattformen wie youtube Lehrvideos, auf denen man Tipps bekommt und mit denen man seine Technik sicher verbessern kann.

Eine wirklich exakte Zahnzwischenraumpflege wird unter professioneller Anleitung im Rahmen der Individualprohylaxe und professionellen Zahnreinigung erlernt. Hier kann auf anatomische Besonderheiten und individuelle Größenverhältnisse der einzelnen Bereiche eingegangen werden und die ideale Kombination von Hilfsmitteln erarbeitet werden. Für gesetzlich Versicherte über 18 Jahren sind  diese Sitzungen allerdings kostenpflichtig. Die Investition in die eigene Zahngesundheit lohnt sich aber unserer Meinung immer!

 

Kombination verschiedener Hilfsmittel

Grundsätzlich wird versucht, den bestmöglichen Reinigungseffekt mit möglichst vertretbarem Aufwand zu erzielen. Eventuell benötigen Sie zwei verschieden große Zahnzwischenraum-bürsten.  Mehr als drei verschiedene Hilfsmittel sind in der Regel nicht sinnvoll:

  • schmale Zwischenräume oder überlappend stehende Zähne (sog. Kulissenstellung):
    => Zahnseide, montierte Zahnseide
  • mittlere Zwischenräume:
    => Zahnseide, Sticks oder schmale Zwischenraumbürsten
  • große Zahnzwischenräume, halb geschlossenen Lücken, Brückenzwischenglieder:
    => Zahnzwischenraumbürsten
  • weit hinten liegende Zwischenräume
    => Zwischenraumbürsten montiert im 90°-Winkel (z. B.: TePe Angle) oder montierte Zahnseide (ggf. quer)

Warum kein Zahnstocher?

Die hierzulande als "Zahnstocher" vertriebenen beidseits angespitzten runden Hölzchen sind aus relativ festem Material.  Sie sind nicht flexibel genug, um sich der Form des Zahnzwischenraumes anzupassen. Ihre Reinigungswirkung ist deshalb schlecht. Sie können damit ein eingepresstes Stück "ahle Worscht" entfernen, aber keine sauberen Oberflächen schaffen. Am besten taugen sie dazu, um daraus kleine Partyspieße herzustellen.


Medizinische Zahnhölzer

Im Gegensatz zu Zahnstochern haben medizinische Zahnhölzer einen dreieckigen Querschnitt und sind aus weichem Holz, das sich an die Zahnzwischenräume anschmiegt. Ihre Reinigungswirkung ist aber immer noch schlechter als die aller anderen verfügbaren Reinigungsmittel. Sie lassen sich zudem nur zwischen den Frontzähnen sinnvoll anwenden.

Die meisten Hersteller haben die Produktion solcher Zahnhölzer inzwischen eingestellt.

Zahnzwischenraumkaries und Zahnfleischentzündung

Zahnzwischenraumkaries macht einen Großteil der Karies junger Erwachsener aus. Diese Karies entsteht auf den einander zugewandten Seiten der Zähne unterhalb des Kontaktpunktes, an dem sich die Zähne berühren. Dieser Bereich zeigt kaum Selbstreinigung durch feste Nahrungsbestandteile, wie sie im Bereich der Kauflächen stattfindet. Dort schaben idealerweise faserreiche rohe Gemüse wie Karotten Zahnbeläge von den konvexen Flächen ab. Im Zahnzwischenraum herrscht aber "mechanische Ruhe". 

Auch entzündliche Zahnfleischerkrankungen nehmen im Zahnzwischenraum ihren Ausgang. Dort ist das "geschützte Reservat", in dem sich schädliche Keime ungestört von der normalen Zahnbürste vermehren und in die Tiefe dringen können.

Der Klassiker: Zahnseide von der Rolle

Es gibt Zahnseide in verschiedenen Stärken, gewachst, ungewachst sowie als etwas breiteres  PTFE-Band. Gewachste und PTFE-Zahnseide gleiten etwas besser über die Kontaktpunkte und werden deshalb insbesonere für Einsteiger empfohlen.

Schritt 1: Vorbereitung

Für die Anwendung von Zahnseide wird ein längeres Stück  (30 - 50 cm) benötigt. Die Zahnseide wird so um die Mittelfinger beider Hände gewickelt, dass ein kurzes (2-3 cm) und straff gespanntes Stück mit Zeigenfinger und Daumenoder nur über die beiden Zeigefinger  sicher geführt werden kann. Im Internet gibt es Anleitungsvideos hierfür.


Schritt 2: Kontaktpunkt überwinden

Die nun straff gespannte Zahnseide wird mit kleinen Sägebewegungen kontrolliert über den Kontaktpunkt der Nachbarzähne geführt. Sobald dieser überwunden ist, stoppen Sie bitte die Tiefenbewegung. Sägen Sie bitte niemals in die Tiefe!


Schritt 3: Seide wie einen Gürtel um den ersten Zahn legen

Im nächsten Schritt legen Sie die Zahnseide wie einen Gürtel um einen der beiden Zahnhälse. Beginnen Sie zum Beispiel mit dem hinteren Zahn, dessen Zwischenraumfläche nach vorne zeigt. Auf keinen Fall dürfen Sie die Zahnseide "unentschlossen" in der Mitte des Zwischenraums positionieren. Sie müssen bei leichtem Druck nach hinten den Widerstand der Zahnfläche spüren.


Schritt 4: Reinigung durch Auf- und Ab- Bewegungen

Nun bewegen Sie die Zahnseide mit leichtem Druck gegen die Zahnwand mehrmals auf und ab. Dabei sollte die Zahnseide etwa 1-2 mm unter das Zahnfleisch gleiten.


Schritt 5: Gegenseite reinigen

Nun wiederholen Sie die Prozedur an der Rückseite des vorderen Zahnes. Wiederum müssen Sie den leichten Widerstand der Zahnseide beim Kontakt mit dem Zahnhals spüren.


Schritt 6: Zwischenraum verlassen

Bewegen Sie die Zahnseide nun zur Kaufläche und verlassen Sie den Zahnzwischenraum. Bei engen Kontaktpunkten kann wiederum eine leichte Sägebewegung sinnvoll sein.


Schritt 7: Systematisch alle Zwischenräume abarbeiten

Auch die Zahnzwischenraumpflege braucht System. Überlegen Sie, mit welchem Zwischenraum Sie beginnen möchten (z. B.: letzter Zwischenraum oben rechts) und arbeiteten Sie alle Zwischenräume systematisch ab.


Probleme?

Eine leichte Blutung ist normal, wenn Sie mit der Zwischeraumpflege neu beginnen. Schließlich haben Sie dort noch nie geputzt und das Zahnfleisch ist entsprechend entzündet. Wenn Sie beim "Fädeln" aber Schmerzen haben oder sich stärkere Blutungen zeigen, läuft etwas falsch. Sie sollten sich im Rahmen einer individuellen Prophylaxesitzung schulen lassen.



Spezialzahnseide,  "Flauschzahnseide"

Eine besondere Form der Zahnseide mit einer erhöhten Reinigungswirkung ist eine "dicke" Zahnseide mit "flauschiger" Oberfläche, die eine verbesserte Reinigung des Zahnzwischenraumes insbesondere im Bereich von Implantaten, Brückengliedern oder bei Zahnfleischrückgang ermöglicht. Ihre  leicht rauhe Struktur raspelt mehr Zahnbeläge von den Oberflächen der Zahnhälse.

Allerdings ist es schwierig bis unmöglich, diese "dicke" Zahnseide von oben durch enge Kontaktpunkte in den Zahnzwischen-raum zu führen. Deshalb besteht klassische "Flausch"-Zahnseide aus vorgeschnittenen Stücken, die zwei dünne und einen dicken Flauschanteil haben. Eines der dünnen Enden ist zu einer Einfädelhilfe versteift: Dieser Teil wird von der Seite durch den Zahnzwischenraum geführt und fädelt so den Flauschanteil ein. Die Benutzung erfolgt dann wie bei gewöhnlicher Zahnseide: Der Faden wird wie ein Gürtel um eine Zahnfläche gelegt und dann auf und ab bewegt.

Aufgrund dieser etwas komplizierten Anwendung ist Flauschzahnseide nicht sehr verbreitet.

Bekannte Produkte sind z. B.:

Oral-B Super Floss

Bridge & Implant Floss von TePe

Oral-B Ultra Floss (50 m "Endlosflausch")


Montierte Zahnseide

Montierte Zahnseide erspart das Umwickeln der Finger mit Zahnseide von der Rolle. Der kleine "Geigenbogen" erleichtert die sichere Führung der Seide im Mund und erleichtert den Zugang, weil nicht mehr so viele "dicke Finger" im Spiel sind.

Auch hier gilt: Den Zahnkontakt vorsichtig sägend überwinden, Seide wie einen Gürtel um den Zahnhals legen und kontrollierte Auf- und Ab-Bewegungen unter Zahnkontakt ausführen. Die Fa. TePe hat einen Halter, dessen Faden auch durch vorsichtiges (!) Aufbeißen über den Kontaktpunkt geführt werden kann.

Einige Hersteller haben Doppelfäden, was die Führung an der Zahnfläche etwas erleichtert.

Als Sonderform gibt es auch Zahnseidehalter, die die Seide quer halten und besonders für den Seitenzahnbereich geeignet sind. Einige Zahnseidehalter haben einen Doppelfaden. Dieser erleichtert eventuell die Führung am Zahnhals.

Der Goldstandard: Zahnzwischenraumbürsten

Zahnzwischenraumbürsten sind nach dem Prinzip der Flaschenbürste konstruiert: Feine Borsten werden von zwei feinen miteinander verdrillten Drähten gehalten. Hochwertige Zwischenraumbürsten sind in einer Reihe von gut abgestuften Größen erhältlich. Wichtig: Der Größencode wird durch die Farbe der Bürste angezeigt und ist leider bei jeder Firma anders. Die Größe der Bürste muss exakt auf den jeweiligen Zwischenraum angepasst werden, damit die Metalldrähte nicht an den Zahnhälsen scheuern (Bürste zu groß) oder den Zwischenraum nicht ausreichend reinigen (Bürste zu klein).

Unsere Praxis arbeitet mit dem Größencode der Firma TePe, wie sie ihn auf den Farbmarkierungen des Schaumodells auf dem oberen Bild erkennen können.

Da diese hochwertig gearbeiteten Bürsten sehr dünne Borsten besitzen, passen erstaunlich große Bürsten durch den Zwischenraum. Diese passen sich der dreieckigen Form des Zwischenraumes und den Konkavitäten in Zähnen oder Zahnfleisch ideal an und ermöglichen die beste Reinigungsleistung aller bekannten Hilfsmittel für die Zahnzwischenraumpflege.

Reinigungssticks - der moderne Nachfolger des Zahnstochers

Eine neues Instrument für die  Zahnzwischenraumreinigung sind konisch zulaufende Reinigungssticks aus Kunststoff. Sie sind mit tellerartigen Gumminoppen überzogen und werden von der Seite in den Zwischenraum eingeführt. Mit geradlinigen Hin- und Her-Bewegungen werden die bakteriellen Zahnbeläge gelockert. Da kein Metallkern im Instrument ist, fühlt es sich angenehm weich an.  Reinigungssticks sind für mittlere bis schmalere Zwischenräume vorteilhaft, durch die eine Zahnzwischenraumbürste nicht passt. Ihre Reinigungswirkung ist der einer Zwischenraumbürste unterlegen. Sehr praktisch ist hingegen, das die konisch zulaufenden Reinigungsspitzen viele Zahnzwischenraumgrößen abdecken und es darum nur zwei verschiedene Spitzen gibt:
orange = klein und mittel
blau = mittel und groß

Dieser Farbcode gilt aber wiederum nur für Reinigungssticks der schwedischen Firma TePe.

Die Sticks können mehrfach verwendet werden, einfach abspülen und trocknen lassen. Wenn sich die Gummiteller durch Verschleiß vom Kunststoffkern lösen, spüren Sie ein "Holpern" bei der Benutzung. Nun ist es Zeit für einen neuen Stick!

Maschinelle Zahnzwischenraumreinigung?

Bedauerlicherweise haben die Mikroben des Mundraumes ein geniales Prinzip entdeckt, um dem Verschlucken (und damit der Salzsäure des Magens) zu entgehen. Sie organisieren sich in festen Kolonien und produzieren "Klebstoffe", welche diese Kolonien (= Plaque) relativ fest an der Zahnoberfläche haften lassen. Diese Plaque ist dadurch definiert, das sie sich anders als freie ("planktonische") Bakterien nicht vom Zahn abspülen lässt. Wir müssen also eine hohe mechanische Arbeit verrichten, um sie von der Zahnoberfläche zu lösen.

Aufgrund des hohen technischen Anspruches, den die Reinigung des Zahnzwischenraumes an uns alle stellt, ist es nur verständlich, dass nach maschinellen Alternativen gesucht wurde und wird.

Bis heute konnten leider keine überzeugenden Alternativen zur händischen mechanischen Reinigung der Zahnzwischenräume gefunden werden.  Alle paar Jahre taucht ein neues Gerät auf, um nach einer Weile vom Markt zu verschwinden.


Mundduschen und ihre modernen Nachfolger (z. B.: Philips Sonicare AirFloss) versuchen über das Durchspülen der Zahnzwischenräume mit Wasser oder einer Mundspüllösung Nahrungsreste und fest anhaftende Bakterienbeläge zu entfernen. Das gelingt aber bisher nur mit locker anhaftenden  Bakterien und Nahrungs-resten. Würde der Wasserdruck so hoch eingestellt, das auch die fest anhaftende Plaque gelöst würde, käme es zu Verletzungen der Weichgewebe.

Unser Fazit: Bisher haben diese Geräte nur einen sehr begrenzten Nutzen. In Studien ist ihre Anwendung  nur besser als eine unterlassene mechanische Zwischen-raumreinigung. Es fehlt die mechanische Kraftübertragung.  Wir halten die Verwendung mechanischer Hilfsmittel zur Zahnzwischenraumpflege, wie wir sie oben beschrieben haben, für weitaus sinnvoller.


Spülimpuls Philips Sonicare AirFloss

Share by: