"Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Oder doch?
In meinem Beitrag "Überschätzen wir unsere Fähigkeiten beim Zähne bürsten?" habe ich von den Untersuchungen der Universität Gießen zur Mundhygiene berichtet. Es zeigte sich, dass die beobachteten Mängel in der Zahnputztechnik und in der Systematik auch durch einen höheren Zeitaufwand leider nicht zu zu korrigieren sind. Auch mit viel Zeitaufwand und ehrlichem Bemühen schafften die Teilnehmer der Studie keine vollständige Reinigung ihrer Zähne.
Eine grundsätzliche Orientierung beim Bürsten bietet das
Konzept des "Putzsegmentes". Das heißt: Seitenzähne haben eine Außenseite, eine Kaufläche und eine Innenseite, die mit der Bürste ereichbar sind. Frontzähne haben nur eine Außen- und Innenseite, die Schneidekante muss nicht gesondert gereinigt werden. Da es 4 Seitenzahngruppen (oben und unten, rechts und links) und zwei Frontzahngruppen gibt, ergeben sich
16 zu putzende Segmente. Achtung: Die Zahnzwischenräume können mit einer Zahnbürste nicht vollständig gereinigt werden und erfordern eine gesonderte Reinigung, die aber in dieser Systematik der
Bürsttechnik nicht berücksichtigt werden muss. Die Herausforderung für die Bürsttechnik besteht darin, im Rahmen einer
festen und vollständigen Systematik alle 16 Bereiche abzuarbeiten, ohne dabei Flächen zu vergessen oder doppelt zu bearbeiten. Dies erfordert eine
Mindestzeit (3-5 Minuten). Die Benutzung einer Sanduhr zur Zeitkontrolle kann Fehler in der Systematik nicht verhindern.
Es ist daher sinnvoll und notwendig, sich schon vor dem Zähneputzen einen
Putzplan zurechtzulegen, der alle 16 Segmente erfasst.
Elektrische Bürsten verbessern grundsätzlich die
technische Reinigung
der Zähne, indem sie uns die ermüdenden Rüttelbewegungen abnehmen. Das ermöglicht bessere Reinigungsergebnisse, auch weil die Putzdauer ermüdungsfrei gesteigert werden kann. Das Führen der Borsten zum jeweiligen Zahnfleischsaum ist leicht zu lernen. Auch können einige Bürsten den Druck der Bürste registrieren und somit Putzschäden vermeiden helfen.
Allerdings stellten sie bisher keine Hilfe beim Erlernen oder der Kontrolle einer erfolgreichen Systematik da. Die beste Bürste nützt wenig, wenn sie 5 Minuten lang auf die selbe Stelle im Mund gedrückt wird.
An diesem Punkt können
"intelligente" Zahnbürsten mit einer gekoppelten App auf dem Handy die Funktion eines Trainers übernehmen. Ähnlich den Assistenzsystemen beim Autofahren registrieren diese Bürsten die Lage des Bürstenkopfes im Mund und protokollieren einerseits den Putzvorgang, andererseits informieren sie den Nutzer und motivieren ihn im besten Fall zu einer besseren, weil vollständigeren Mundhygiene.
Ich habe zu diesem Zweck die
iO 10, das "Flaggschiff" von Oral-B getestet. Diese Bürste verfügt wie alle Bürsten der iO-Serie über ein neues magnetisches Antriebssystem, das im Vergleich zu dem bisherigen mechanischen System etwas leiser ist. Die Bürste ist dennoch kraftvoll und hat neben der oszillierend-rotierenden Bewegung eine nochmals stärkere Vibration der Borsten. Die alten Köpfe von Oral-B sind mit diesem System nicht kompatibel und es gibt für diese Bürsten noch keine günstigen "no-Name-Reinigungsköpfe" beim Discounter. Die
iO 10
verfügt über mehrere Antriebsprogramme (optimale Reinigung, Sensitiv, Super sensitiv, etc.). Zur Vollausstattung der Bürste gehören noch eine "smarte Ladestation", die wie die App den Putzfortschritt anzeigt sowie eine Reisebox mit integrierter zweiter Ladestation. Ziemlicher Luxus, denn nach vier Tagen Kurzurlaub zeigte der Akku bei mir immer noch 73% Kapazität. Die kostenfreie iO-App wird auf das Handy geladen und ermöglicht die maximale Kontrolle über den Putzvorgang und das Ergebnis.
Im Selbstversuch erbrachte die Bürste eine hervorragende Reinigungsleistung. Allerdings war das nicht der Grund, warum ich die iO 10 mit der "Vollausstattung" getestet habe. Die spannende Frage für mich war: Kann diese Bürste den Erfolg meiner Bemühungen kontrollieren, meine Technik oder mein System verbessern und mich motivieren, ein vollständigeres Putzergebnis zu erzielen?
Zu diesem Zweck habe ich zwei verschiedene Aufsteckbürsten (s. u.) mit den dazugehörigen Programmen verwendet. Ich habe in verschiedenen Durchgängen "blind", d. h. ohne Kontrolle des Systems, mit Kontrolle über die einfache Anzeige der Ladestation und schließlich mit Kontrolle über die iO-App fürs Handy getestet.
Die iO 10 auf der intelligenten Ladestation
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Anzeige 1: Druckanzeige
Grün = richtig
Anzeige 2: Programmwahl, Putzzeit und Piktogramm für Gesamtwertung
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Anzeige 3 auf der Ladestation: Putzzeit und gereinigte Quadranten (die blauen Segmente werden weiß)
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Anzeige 4: Die App sammelt und dokumentiert die Daten und gibt die genaueste Auskunft über den Reinigungsvorgang. Hier gibt es die Medallien.
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Die Eignung der Bürste als "Personal Trainer"
Die Oral-B iO 10-Zahnbürste verfügt über Sensoren, die die Lage der Bürste im Mund und somit die bearbeiteten Flächen erkennt. Über eine App kann der Fortschritt der Reinigung verfolgt werden und die noch nicht ausreichend gereinigten Segmente werden angezeigt. Ähnlich einem Fitnessprogramm können verschiedene Ziele für die Zahnpflege (Zahnfleischgesundheit, Plaquebekämpfung, Zahnaufhellung etc.) festgelegt werden. Der Nutzer erwirbt Medaillen für erfolgreiche Putzvorgänge und wird so zu weiteren Bemühungen motiviert.
Die Bürste registriert:
- die Lage des Bürstenkopfes in den
16 Putzsegmenten (Kau-, Außen- und Innenfläche der 4 Seitenzahnbereiche, Außen- und Innenfläche der Schneidezähne im Ober- und Unterkiefer)
- den
Anpressdruck auf dem Zahn
- die
Putzdauer pro Flächensegment
- die
Gesamtputzzeit
Es gibt folgende Anzeigen:
- Die
Druckanzeige im Bürstengriff ist während des Putzens sichtbar und zeigt hell leuchtend zu geringen (blau), richtigen (grün) und zu hohen (rot) Anpressdruck der Bürste. So ist es möglich, den optimalen Putzdruck zu erlernen.
- Das
Display auf dem Bürstengriff zeigt die Putzdauer und vergibt bei Beendigung des Putzens je nach Ergebnis unterschiedliche Smileys. Es bietet also nur die grobe Information: Das war gut, das war zu kurz. etc.
- Die
Ladestation der iO 10
ist als Blickfang konzipiert und zeigt die Putzsegmente vereinfacht als 6 Leuchtbalken an. Die Balken leuchten dunkelblau und werden heller, wenn die Segmente erfolgreich bearbeitet wurden.
- Die genaueste Anzeige erfolgt auf der App auf dem Handy. Die angezeigten Zähne werden beim Putzen zunehmend heller und leuchten erst weiß, wenn alle Flächen des Segmentes erfolgreich bearbeitet wurden. Die 16 Einzelsegmente (drei für Seitenzähne, zwei für Frontzähne) werden zusätzlich als Punktreihen angezeigt, die nach erfolgreicher Bearbeitung verschwinden. Da Ganze ist wie ein kleines Videospiel gestaltet, bei dem die Punkte (= Bakterien) weg gebürstet werden müssen.
Wird die Registrierung des Zähneputzens in der App gestartet, gibt es zwei prinzipielle Möglichkeiten des Vorgehens. Wer schon über eine
etablierte und vollständige Putzsystematik verfügt, kontrolliert nur noch das Verschwinden der kleinen Punktreihen (= Bakterien) in der App und wandert dann zum nächsten Bereich.
Meine Erfahrung im Test: Das "Zahnputz-Coaching" funktioniert. Das "Feedback" der Bürste beeinflusst das Putzverhalten zum Besseren (Druck, Vollständigkeit, Gesamtzeit). Da ich ein systematischer Putzer bin, waren meine Ergebnisse beim "blind putzen" (ohne Kontrolle einer Anzeige) schon gut, aber nicht perfekt. Beim Anpressdruck habe ich am Anfang etwas schwankende Ergebnisse, weil ich mit dem Handling der Bürste noch unsicher war.
Mit Kontrolle der App wurden die Ergebnisse perfekt. Hierfür muss das Handy entsprechend im Sichtbereich aufgestellt werden, zum Beispiel unter dem Badezimmerspiegel. Hierdurch ist die Bewegung im Zimmer etwas eingeschränkt. Etwas freier fühlt es sich an, nur die Anzeige der Ladestation zu benutzen. Auch so lassen sich perfekte Ergebnisse erzielen.
Das Sammeln von Medaillien fürs perfekte Zähneputzen ist für mich nicht so wichtig, weil ich nicht nur mit der Io 10 putze.
Als Einstieg ist diese Funktion aber sicher motivierend. Ich selbst fühle mich durch die Anzeige der "gereinigten Segmente" angespornt, bis zum Erreichen des perfekten Ergebnisses zu putzen. Für Kinder ist die Bürste sicher erst ab dem Schulalter empfehlenswert.
Fazit: High-Tech hält Einzug ins Badezimmer. Für den hohen Preis (derzeit ca. 350.-€) bekommt der Kunde mit der iO 10 nicht nur eine hochwertige elektrische Zahnbürste mit vielen Extras, sondern auch ein
interaktives Lernsystem für perfektes Zähne bürsten geliefert. Das System informiert und motiviert erfolgreich zur vollständigen Reinigung aller Flächen, der Kunde muss sich aber selbst (!) eine Systematik aneignen. Wie bei allen neuen Geräten im Haushalt ist mit einem gewissen "Erlahmen" der Begeisterung nach den ersten Monaten zu rechnen. Bis dahin sollte sich die Putzsystematik grundlegend verbessert haben.
Wer keine Lust hat, sich von einer "Maschine" etwas "vorschreiben" zu lassen oder überzeugt ist, schon eine vollständige Putzsystematik zu haben, ist mit einer günstigeren Variante der iO-Reihe gut bedient. Die Technologie der Reinigung (Antrieb, Aufsteckbürste) ist bei allen Bürsten der iO-Reihe identisch! Eine iO 3 gibt es derzeit für unter 80.-€. Menschen mit dünnem Zahnfleisch und freiliegenden Zahnhälsen ist die Aufsteckbürste "Sanfte Reinigung" mit dem "Sensitiv"-Putzprogramm zu empfehlen.
Weitere Informationen unter:
https://shop.oralb.de/entdecke-oralb-io10.list
Bemerkung zu möglichen Interessenkonflikten: Ich habe die Bürste als Zahnarzt zum Vorzugspreis von 153,51 € kaufen können. Der Bericht ist ohne Unterstützung oder Absprache mit der Firma Oral-B verfasst worden und spiegelt nur meine Erfahrung bzw. Meinung wieder.