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EU-weiter Amalgam-Ausstieg ab 2025

Tilman Flechsig • Apr. 22, 2024

Der Vorschlag der Europäischen Kommission 

für ein EU-weites Verbot von Dental-Amalgam 

soll im Sommer beschlossen werden


Verwendet unsere Praxis noch Amalgam?


Nein. Wir haben in unserer Praxis die Verwendung von Amalgam schon vor über 25 Jahren komplett eingestellt. Bei Kindern und Jugendlichen haben wir es nie verwendet.

Im Jahr 2018 hat die EU die Verwendung des Materials bei Schwangeren und Kindern unter 15 Jahren verboten. Nur für diesen kleineren Personenkreis übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die höheren Kosten einer Kompositefüllung.


Wir bieten in unserer Praxis sowohl kostenfrei als auch kostenpflichtige Alternativen zum Amalgam an. Alle Patienten werden vor der Behandlung über eventuell anfallende Kosten bei der Versorgung mit höherwertigen Materialien informiert. Welche Konsequenzen ein EU-Amalgamverbot für die zukünftige Kostenübernahme von Kompositefüllungen ("Kunststofffüllungen") durch die Krankenkassen haben wird, können wir derzeit noch nicht abschätzen. Für das Jahr 2024  ändert sich erst einmal nichts.


Was ist Amalgam überhaupt?


Miteinander verschmolzene Mischungen von verschiedenen Metallen werden "Legierung" genannt. Legierungen haben andere und zumeist für den Menschen vorteilhaftere Eigenschaften als die Ursprungsmetalle. Sie verbinden sich dauerhaft und zerfallen auch unter Belastung nicht wieder in ihre Bestandteile. Der "Klassiker" unter den Legierungen ist die Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn. Die Härte dieser Legierung übertrifft die Härte von elementarem Kupfer oder Zinn bei weitem und stellte einen Meilenstein in der Metallverarbeitung dar (=> "Bronzezeit").

Eine ebenfalls bedeutsame Innovation war die Entdeckung der "Amalgame", der Legierungen des Quecksilbers. Dieser in der Zahnmedizin jahrzehntelang dominierende Füllungswerkstoff für den Seitenzahnbereich ist eine Metalllegierung, die bei Raumtemperatur durch das Zusammenmischen eines flüssigen Metalls (=> Quecksilber) mit feinen Spänen einer Silberlegierung (=> sog.  "Feilung") entsteht. Diese besteht im Wesentlichen aus Silber, Zinn und Kupfer.  Das Besondere an dieser Technik ist, dass für die Reaktion dieser Metalle zu einer festen Legierung (dem "Amalgam") kein Erhitzen erforderlich ist, die "Verschmelzung" also bei Körpertemperatur abläuft. Es entsteht eine außerordentlich belastbare Füllung von zunächst silbriger, später durch Ablagerung von Zinnoxid eher dunkelgrauer Farbe.

Diese genial einfache Methode des "Metallgießens" bei Mundtemperatur funktioniert allerdings nur unter Verwendung von Quecksilber, welches ungefähr die Hälfe des fertigen Werkstoffes ausmacht. Würde man Silber-, Zinn- und Kupferspäne alleine zusammenmischen, passiert bei Mundtemperatur gar nichts, die Metalle würden dann nicht miteinander reagieren oder zu einer Legierung verschmelzen. In einer mittelgroßen Amalgamfüllung stecken ca. 0,6 Gramm Quecksilber. Dieses ist in der Legierung fest gebunden und wäscht sich nicht einfach aus, wie vielfach vermutet wird. Eine gut gelegte Amalgamfüllung ist auch nach 20 Jahren weder verschwunden noch sichtbar geschrumpft! Durch die hochentwickelte Messtechnik zum Nachweis von Metallen kann allerdings gezeigt werden, dass ionisches Quecksilber (Hg2+) aus Amalgam in Spuren durch Korrosionsvorgänge und Abrieb freigesetzt wird, was Anlass zu vielfältigen Befürchtungen gab und gibt. Ionisches Quecksilber aus Amalgamfüllungen wird vom Körper zum Glück nur schlecht aufgenommen.


Ein größeres Gefahrenpotential geht von der Verdampfung von flüssigem, elementarem Quecksilber aus. Aus diesem Grund wurde der Verkauf von klassischen Quecksilberthermometern wegen der Gefahr des Zerbrechens mit Freisetzung von Quecksilberdämpfen in der EU  2007 verboten.


Eine langfristige Gefahr ist die Anreicherung von Quecksilber in der Natur und die dortige Entstehung von organischen Quecksilberverbindungen wie Methylquecksilber, welche über die Nahrung (insbesondere Fischereierzeugnisse) von Menschen aufgenommen und dann vom Körper in hohem Maße resorbiert wird. Dies kann zu ernsten Erkrankungen (=> Minamata-Krankheit) führen.


Als Konsequenz wurde in Deutschland schon Anfang der 1990er Jahre der Einbau spezieller Amalgam-Abscheider in allen Zahnarztpraxen in Deutschland Pflicht, um die Einleitung von amalgamhaltigen Abwässern in die Umwelt zu vermeiden. Alle Amalgamreste sowie gezogene Zähne mit Amalgamfüllungen werden als Sondermüll von spezialisierten Firmen entsorgt. Dies ist selbstverständlich auch für Praxen Pflicht, die wie unsere Praxis schon seit Jahrzehnten kein Amalgam mehr verwenden.


Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes soll nun EU-weit die gesamtem industrielle Verwendung von Quecksilber beendet werden (s. u.).




Vorteile des Werkstoffes Amalgam in der "Zahnheilkunde des letzten Jahrtausends"


Seit ungefähr 200 Jahren verwenden Zahnärzte Amalgam zur Reparatur von kariösen Defekten der Zähne. Das Material zeichnet sich durch seinen günstigen Anschaffungspreis, seine robust-einfache Verarbeitung und seine guten Erfolgsquoten gegenüber allen anderen zahnärztlichen Werkstoffen aus. Deshalb fand es rasch Verbreitung über die ganze Welt und wurde zur Grundlage der "Zahnerhaltung" für breite Bevölkerungsschichten. Alle Zähne im Seitenzahnbereich, die noch keine Krone benötigten, wurden mit Amalgam versorgt. In Deutschland war und ist dieses Material die "Regelversorgung" für kleine und mittlere Defekte im Seitenzahnbereich bei gesetzlich versicherten Patienten. Die Krankenkassen bezahlten deshalb auch "nur" die Kosten für eine Amalgamfüllung und nicht für damaligen teureren Alternativen, namentlich die Einlagefüllungen aus Gold.


Anfang der 1990er Jahre wurden die ersten ernstzunehmenden Alternativen zum Amalgam, die modernen Glasionomerzemente und Komposite (Mischungen aus Keramikpartikeln und Kunststoffen) vorgestellt. Insbesondere letztere erfordern eine andere und aufwendigere Verarbeitung als Amalgam. Die Trockenlegung des Arbeitsgebietes, die schrittweise Formgebung und die Erzeugung eines beständigen Haftverbundes zum Zahn sind bei diesen Materialien neue Herausforderungen für die Zahnärzte. Die Herstellung größerer Füllungen aus Komposite dauert deutlich länger als eine gleich große Amalgamfüllung.


Es dauerte eine Reihe von Jahren, bis die neu entwickelten Materialien und Techniken dem "bewährten" Füllstoff Amalgam ebenbürtig waren und die entsprechenden Langzeitstudien der Universitäten abgeschlossen waren. In dieser Zeit tobte gerade in Deutschland ein von den Medien hochgradig angeheizter "Amalgamkrieg" zwischen Befürwortern und Gegnern dieses Werkstoffes. Obwohl alle wissenschaftlichen Studien die generelle Unbedenklichkeit des Materials bestätigten, schoss in Deutschland die Zahl der "Amalgamallergiker" oder "Amalgamvergifteten" in Millionenhöhe. Im europäischen Ausland blieben diese Phänomene  interessanterweise weitgehend unbekannt. Unstreitig ist, dass aus Amalgamfüllungen Spuren von Quecksilber entweichen und vom Körper aufgenommen und auch wieder ausgeschieden werden. Allerdings scheint der Körper mit diesen geringen Belastungen sehr gut klarzukommen. Dennoch ist eine Vermeidung von derartigen Belastungen grundsätzlich wünschenswert.


In Deutschland beträgt der Anteil der neu gelegten Amalgamfüllungen an den gesamten Füllungen im Jahr 2022 nach Schätzungen noch etwa 2,4%. Insgesamt ist der Trend seit Jahren rückläufig. Auch im europäischen Ausland ist die Situation ähnlich. Aufgrund der Möglichkeit, das Material auch unter strak erschwerten Bedingungen (Feuchtigkeit) zu verarbeiten, hat es allerdings noch eine Bedeutung bei der Behandlung von Menschen mit spezifischen Bedürfnissen. Deshalb ist ein absolutes Verbot unter Fachleuten nicht unumstritten.


In der Mitte der neunziger Jahre zeigte sich durch die technischen Fortschritte bei der Entwicklung neuer Füllmaterialien für unsere Praxis: "Das Bessere ist der Feind des Guten." Die Vorteile der neuen Technologie der Verbundtechnik von Zahn und Kunststoff (Adhäsivtechnik) ermöglichen mehr Substanzschonung bei der Füllungsgestaltung, mehr Stabilisierung der Restzahnsubstanz durch die Verklebung und eine bis dahin nicht für möglich gehaltene Ästhetik ("weiße Füllungen"). Dies war der Grund für den kompletten Umstieg unserer Praxis auf die neuen Technologien.


Warum soll Amalgam in der EU verboten werden?


Grund für die Bestrebungen der EU, die Verwendung von Amalgam und auch weiterere quecksilberhaltiger Produkte komplett zu verbieten, ist nicht etwa eine direkte Gesundheitsgefährdung durch Amalgamfüllungen, sondern Überlegungen zum Umweltschutz und der Schutz vor Belastungen durch Schwermettallen aus der Nahrung.  2013 wurde in der Minamata-Konvention durch die Vereinten Nationen beschlossen, die durch Menschen verursachten Quecksilberbelastungen der Umwelt zu reduzieren. Diese Konvention ist seit 2017 völkerechtlich bindend und wird demzufolge nun von der EU rechtlich umgesetzt.


Quecksilber und seine Verbindungen waren früher und sind auch noch heute in vielen  Produkten enthalten. Viele Menschen erinnern sich noch an das rote Hautdesinfektionsmittel "Mercurochrom", das sie als Kind von den Eltern auf  Schürfwunden aufgepinselt bekamen. Es enthielt den quecksilberhaltigen und desinfizierend wirkenden Farbstoff Merbromin. Inzwischen ist dieser Wirkstoff im Präparat durch das ungefährliche Povidon-Jod ersetzt worden.


Bekannte quecksilberhaltige Produkte sind Leuchtstofflampen ("Energiesparlampen"),  Batterie-Knopfzellen und rote Farbpigmente (=> Zinnoberrot HgS). Alle diese  Produkte müssen deshalb schon heute gesondert entsorgt werden und dürfen nicht in die Restmülltonne.  Besonders absurd ist, wenn Quecksilber in kleingewerblichen Bergbaubetrieben zum Binden und leichteren Aussieben von Gold auch heute noch in großen Mengen in die Umwelt gelangt.

https://nachrichten.idw-online.de/2023/11/07/goldabbau-setzt-giftiges-quecksilber-und-enorme-mengen-kohlendioxid-frei


Die grundsätzliche Problematik bei der Herstellung und Inverkehrbringung quecksilberhalltiger Produkte ist die Gefahr der allgemeinen Verteilung dieses Schwermetalls in der Umwelt. Einmal dort ausgebracht und in biologische Kreisläufe gelangt, lässt es sich kaum wieder einsammeln. Da die Quecksilberbelastung in der Umwelt somit ansteigt, besteht die Befürchtung, dass in Zukunft Schwellenwerte überschritten werden könnten, was zu gesundheitlichen Gefahren führen könnte. Dies gilt selbstverständlich für alle potentiell gesundheitsgefährdenden Stoffe, die nicht bioliogisch abgebaut werden.

Dieses Problem wird dadurch verschärft, das sich Schwermetalle über die Nahrungskette in Pflanzen, tierischen Organismen oder auch dem Menschen anreichern und sich die Belastung hierdurch nochmals deutlich erhöhen könnte. Wer regelmäßig große Mengen an bestimmten Meeresfischen zu sich nimmt, nimmt möglicherweise schon heute mehr Quecksilber auf als wünschenswert.

https://www.bfr.bund.de/cm/343/pressemitteilung_efsa_quecksilber_in_lebensmitteln.pdf

Deshalb ist der Ausstieg aus der Quecksilberverarbeitung grundsätzlich sinnvoll. Dies bedeutet als Nebeneffekt vermutlich das "Aus" für die Amalgamfüllung, wenn nicht politisch entschieden wird, hier eine Ausnahmeregelung zu treffen.


Sollten jetzt alle bestehenden Amalgamfüllungen entfernt werden?


Nein. Wie schon erwähnt, hat sich an der Einschätzung der Sicherheit von Amalgamfüllungen für den einzelnen Patienten nichts geändert. Wer jetzt noch intakte Amalgamfüllungen hat, kann diese auch weiterhin belassen. Da die Verwendung von Amalgam in Deutschland kontinuierlich zurückgeht, löst sich das Problem irgendwann von selbst. Dass möglicherweise ab 2025 überhaupt keine Füllungen mehr dazukommen, beschleunigt den Ausstieg noch.


In unserer Praxis entfernen wir nur schadhafte Amalgamfüllungen und ersetzen diese dann durch modernere Materialien.


Fazit: Wir sollten dem Werkstoff "Amalgam" ein herzliches "Danke schön!" nachrufen, denn er hat viele Jahrzehnte gute Dienste geleistet und Millionen von Zähnen kostengünstig gerettet. All diese Zähne zu überkronen wäre um ein Vielfaches teurer gewesen und hätte niemals im Rahmen einer solidarischen "gesetzlichen" Versicherung geleistet werden können. Egal ob Amalgam in der EU komplett verboten wird oder nicht, wird seine Verwendung in Zukunft kaum noch eine Rolle spielen, denn es stehen heutzutage bewährte Alternativen zur Verfügung.

von Tilman Flechsig 19 Apr., 2024
Wie geht Umweltschutz in der Praxis?
von Tilman Flechsig 11 Apr., 2024
Vor nicht allzu langer Zeit waren Karies (" Zahnfäule ") und lockere Zähne durch Parodontitis (" Zahnfleischschwund ") die Hauptursachen für den Verlust von Zahnsubstanz und Zähnen. Erfreulicherweise hat sich das geändert: Durch die verbesserte Mundhygiene bleiben mehr und mehr Menschen weitgehend kariesfrei und das Zahnfleisch und der Zahnhalteapparat werden gesund erhalten. In den letzten zwei Jahrzehnten rücken andere Schadensformen an den Zähnen mehr und mehr in den Vordergrund. Es sind Substanzverluste an den Oberflächen der Zähne, die durch mechanische ("Zähneknirschen", beschleunigter Zahnabrieb) oder chemische (Säureschäden) Einflüsse zu massiven Formveränderungen der Zähne, zum Absinken der Bisshöhe oder zum Freiliegen von empfindlichen Zahnarealen führen. Nach dem kompletten Verlust des schützenden Schmelzmantels liegt dann das Zahninnere, das Dentin frei, was zudem zu stark schmerzempfindlichen Zähnen führen kann. Natürlicher Oberflächenverlust (= Physiologische Demastikation) Jedes Gebiss unterliegt normalerweise einem kontinuierlichen Abrieb durch die Nahrungsbestandteile und die jeweilige Gegenbezahnung bzw. durch den Einfluss von natürlichen Säuren aus der Nahrung. So haben 20jährige in nur drei Prozent der Fälle einen stark sichtbaren Abriebsverlust (Abrieb bis in das mittlere Dentindrittel), wohingegen 70jährige diesen zu 17 Prozent aufweisen. Über 80% der 70jährigen haben zwar gealterte, aber grundsätzlich intakte Zahnoberflächen. Im Normalfall müssten unsere Zähne vom Abrieb her für ein ganzes Leben halten, weil wir in 10 Jahren nur etwa 0,3 mm an Zahnschmelz verlieren. Da der Schmelzmantel der Zähne im Bereich der Kaufläche ca. 1,5 mm dick ist, sollten wir die ersten 50 Jahre der Zahnnutzung ohne Freilegung von Dentin schaffen. Dies gilt umso mehr, als wir in unseren "modernen Zeiten" die Zähne nicht mehr als Werkzeug nutzen oder auf Steinen gemahlenes Mehl zu uns nehmen müssen. Das Mehl mit dem Sandzusatz wirkte in früheren Zeiten zu Brot gebacken wie Schmirgelpapier. Gebisse von Menschen, die vor mehr als 250 Jahren lebten, zeigen einen deutlich höheren Substanzverlust als heutzutage üblich. Es ist grundsätzlich sehr wichtig, krankhafte Substanzverluste schon in einem frühen Stadium zu entdecken, um massive Schäden und hohe Folgekosten für aufwendige Zahnrekonstruktionen zu vermeiden. Insbesondere kann sich der Abrieb verstärken, wenn das Dentin ("Zahnbein") an der Zahnoberfläche durch den vollständigen Verlust des Zahnschmelzes frei zu liegen beginnt, weil Dentin fünf mal weicher als Zahnschmelz ist. Was sind die Ursachen für einen beschleunigten Verlust von oberflächlicher Zahnsubstanz, der nicht durch Karies verursacht sind ? Wir unterscheiden hier zwei Schadensmechanismen, die im schlimmsten Fall kombiniert auftreten können:
von Tilman Flechsig 08 Feb., 2024
Moderne Zahnerhaltung funktioniert . Immer mehr Menschen behalten immer mehr eigene Zähne bis in hohe Lebensalter. Dieser Erfolg wird für Deutschland durch repräsentative Studien bestätigt, zum Beispiel durch die fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) von 2016. Mehr eigene Zähne im Mund - das ermöglicht Zahnärzten, in weit höherem Maße als früher Zahnersatz anzufertigen, der fest im Mund verankert ist, also Kronen und Brücken anzufertigen, statt wie früher einen herausnehmbaren Zahnersatz herzustellen. Die Lebensqualität der so versorgten Menschen ist höher, der Kaukomfort und die Kauleistung steigen. Dieser Trend wird durch den Einsatz von Zahnimplantaten noch verstärkt, weil diese strategische eingesetzten künstlichen Zahnwurzeln die Möglichkeiten der fest sitzenden Verankerung für Zahnersatz nochmals erweitern. Die Gruppe der Menschen, die zahnlos und mit einer Totalprothese versorgt sind, wird kleiner. Diese erfreuliche Entwicklung hat allerdings auch eine Schattenseite. Wo früher Totalprothesen mit einer "Kukident"-Reinigungstablette über Nacht im Wasserglas auf dem Nachttisch gereinigt werden konnten, müssen nun auch im hohen Alter die eigenen Zähne im Mund gepflegt werden. Mit steigendem Lebensalter treffen zwei Entwicklungen aufeinander: Zum einen steigt mit höherem Alter die Gefahr für Karies gegenüber dem mittleren Alter an. Freiliegende Zahnhälse, vergrößerte Zahnzwischenräume und abgenutzte Schmelzareale sowie eine geringere Speichelproduktion vergrößern die Anfälligkeit für Karies. Einschränkungen bei der Mundhygiene (Beweglichkeit von Schulter, Arm und Fingern, Sehschärfe etc.) begünstigen die Entstehung schädlicher Bakterienbeläge auf den Zahnoberflächen. In besonderem Maße sind Menschen gefährdet, die pflegebedürftig sind und noch eigene Zähne haben. Hier vergrößert sich der allgemeine Pflegebedarf durch die technisch herausfordernde Pflege der Zähne noch einmal deutlich. Und gerade in diesem Bereich gibt es zur Zeit noch die größten Defizite sowie einen hohen Informationsbedarf. Für Angehörige und Pflegende gibt es seit eine sehr informative Informations- und Lernplattform im Internet: https://mund-pflege.net/ Auf dieser vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Plattform werden eine Vielzahl von Informationen und praktische Tipps gegeben. Die Kapitel sind durchgehend bebildert, frei von Werbung und gut verständlich. Ein Blick auf diese Seite lohnt sich für jeden!
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Das Problem des Biofilms
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Testbericht über die neue elektrische Zahnbürste oral-b iO10.
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" Unverantwortlich: Immer noch Titandioxid in Kinderzahnpasta " - so lautet der etwas reißerische Titel der online-Veröffentlichung der Zeitschrift Öko-Test zu ihrem aktuellen Testbericht über die Inhaltsstoffe von Kinderzahnpasten. Zu lesen unter: https://www.oekotest.de/freizeit-technik/Unverantwortlich-Immer-noch-Titandioxid-in-Kinderzahnpasta_13489_1.html Doch besteht hier wirklich die reale Gefahr einer drohenden Erbgutschädigung für unsere Kinder durch Zahnpasta? Über Inhaltsstoffe von Zahnpasten lässt sich lange diskutieren. Insbesondere bei Zahnpasten für Kinder ist der Verbraucher heute sehr kritisch und hinterfragt ihren Nutzen bzw. wägt ein schädliches Potential dagegen ab. Grundsätzlich gilt : => Kinderzähne sollten ab dem ersten Zahn von den Eltern 2 x täglich von allen Seiten sauber geputzt werden. => Die Schutzwirkung fluoridierter Zahnpasta ist höher als die Kombination von Fluoridtabletten und fluoridfreier Zahnpasta und diese höher als die alleinige Anwendung von fluoridfreier Zahnpasta. => Die Fluoridkonzentration, die die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendzahnheilkunde empfiehlt, sind: 0-2 Jahre: "Erbse" mit 500 ppm Fluorid oder "Reiskorn" mit 1000 ppm Fluorid 3-6 Jahre: "Erbse" mit 1000 ppm Fluorid ab 7 Jahre" "Erbse" in der Erwachsennenkonzentration von 1450 ppm Fluorid Lesen Sie hierzu auch unseren Betrag " Zeitschrift Öko-Test testet Kinderzahnpasten " aus dem Jahr 2021. => Das Schadenspotential bei sinnvoller Anwendung (kleine Menge) eines handelsüblichen Produktes dürfte äußerst gering sein. Bedenken Sie immer, dass Speisereste und aggressive Bakterien das Zahnfleisch ebenso "chemisch" reizen und schädliche Auswirkungen (Entzündungen, Karies, Schmerzen, eingeschränkte Nahrungsaufnahme etc.) verursachen. => Derzeit werden folgende Inhaltsstoffe von Kinderzahnpasten kritisch diskutiert: + SLS-Schaumbildner (= Natriumlaurylsulfat) kann in höheren Dosierungen die Schleimhaut reizen, es gibt mit den Betainen weniger aggressive Alternativen. + PEG (Polyethylenglycol) und seine Derivate sind Feuchthaltemittel, die die Konsistenz der Zahnpasta optimieren. Das sie die Schleimhaut durchlässiger für Giftstoffe machen und das dies messbare Folgen hat, ist allerdings nicht so eindeutig. Ich kenne hierzu keine Studie. + Triclosan ist ein keimtötender Zusatz, der nur in sehr speziellen Fällen sinnvoll wäre und sich in keiner mir bekannten Kinderzahnpasta mehr befindet. + Bleichmittel zur Zahnaufhellung haben in Kinderzahnpasten nichts verloren und sind dort auch nicht enthalten. + Kunststoff-Mikrokügelchen sind als "schonender" Abriebstoff inzwischen von unbedenklichen Silika-Putzkörpern abgelöst worden und nicht mehr in Kinderzahnpasten zu finden. + Titandioxid ist im Zusammenhang mit einer EU-Verordnung zu Feinstäuben oder Nanopartikeln in der Nahrung in den Focus geraten. Lesen Sie hierzu unseren Blog " Titandioxid in Zahnpasten ". Derzeit würde ich Titandioxid mit einer Partikelgröße von größer als 1 µm als unbedenklich, aber auch unnötig bezeichnen. Auf keinen Fall kann aus den derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Daten geschlossen werden, dass durch diesen Farbstoff in Zahnpasten die Krebsgefahr steigen würde. Es ist also kein Skandal, wenn immer noch Titandioxid in Erwachsenen- oder Kinderzahnpasten zu finden ist, sondern eher unnötig. "Größere Mengen" an Zahnpasta sollten Kinder niemals verschlucken können, da es Aufgabe der Eltern ist, die entsprechende Menge zu portionieren. Wir brauchen die "schöne" weiße Färbung der Zahnpasta nicht wirklich; ob sie diese als Kunde bevorzugen, können Sie am obrigen Bild selber testen. + Blei ist weder im Lebensmittelbereich noch im Bereich der Kosmetik (zu dem die Zahnpasten gehören) zugelassen. Es ist eine giftige Verunreinigung und kein zugelassener Inhaltsstoff. Aktuell: Die Zeitschrift Ökotest hat nun 24 Baby- und Kinderzahncremes geprüft. Vier erhielten die Bestnote, in fünf Pasten steckt der von der Zeitschrift als bedenklich eingestufte umstrittene Stoff Titandioxid, in einer Blei. Unter den 24 getesteten Zahnpasten sind sieben zertifizierte Naturkosmetikprodukte und sieben Pasten ohne Fluorid. Zu den Test-Gewinnern mit der Bestnote „sehr gut“ gehört das Kids Zahngel mit Erdbeer-Himbeer-Geschmack von Bevola Naturals, erhältlich bei Kaufland. Mit 1,73 Euro pro 50 Milliliter bewegt es sich preislich im Mittelfeld, gilt aber auch als Naturkosmetikprodukt. Insgesamt fünf Produkte fallen mit „ ungenügend “ durch, weil sie den von Ökotest als gesundheitsschädlich eingestuften Zusatzstoff Titandioxid ( auf der Packung Kürzel "CI 77891") enthalten. Die Autoren schließen aus der Tatsache, dass die EU Titandioxid seit 2 Jahren als Lebensmittelzusatz verboten hat (dort heißt es E171 ), dass eine Gefahr für Kinder besteht. Die Begründung der Autoren ist, dass die Kinder größere Mengen an Zahnpasta schlucken würden. Das wird hoffentlich durch die sinnvolle Dosierung durch die Eltern begrenzt. Dass Titandioxid direkt das Erbgut schädigt, ist eine sehr steile These der Autoren, die wissenschaftlich nicht belegt ist. Versuche an Mäusen, die über einen längeren Zeitraum mit Titandioxid in Nanopartikelgröße gefüttert wurden, zeigten, dass diese Mäuse Entzündungen im Darm entwickelten. Hierdurch kann theoretisch wie bei jeder chronischen Darmentzündung die Krebsgefahr steigen. Es gibt aber keine derartigen Beobachtungen an Menschen und deshalb nur die Empfehlung, dass Menschen mit bereits bestehenden chronischen Darmentzündungen diesen Stoff meiden sollen. Die Ableitung "Titandioxid = Nanopartikel = Darmentzündung = Krebs" ist eine absurde Vereinfachung, die suggeriert, dass Titandioxid die "intrinsische" Eigenschaft hat, Krebs zu erzeugen. Wenn das so wäre, würde niemand mehr diese Zeilen lesen können, wenn wir die Allgegenwart dieses Stoffes in Farben / Lacken / Tabletten / Lebensmitteln / Kaugummi / Sonnencreme / Papier und vielem mehr bedenken. Das Blend-a-Med Blendi Gel mit Erdbeergeschmack, Odol- Med 3 „Erste Zähne“, Odol-Med 3 Milchzahn „Milde Minze“, Putzi Kinderzahngel und Today Dent Kids Milchzähne fallen durch. Die Ben & Anna Zahnpasta Strawberry Fluoride For Kids , die mit 3,50 Euro pro 50 Milliliter ein teures Produkt und in der Kategorie „zertifizierte Naturkosmetik“ einsortiert ist, erhält „ungenügend“, weil Blei gefunden wurde. Mit „ gut “ sind die Eurodont Kinder Zahncreme mit Bubblegum Geschmack von Aldi, die One Drop Only Kinder-Zahnpasta mit Himbeer-Geschmack und die Sensident Kids Zahncreme, Himbeer-Geschmack von Müller bewertet. Produkte von Elmex, Karex, NUK und Signal liegen im Mittelfeld. Ab sechs Jahren können sich Kinder laut Autoren mit einer Universalzahncreme ohne Zinkzusatz oder mit einer milder schmeckenden Junior Zahncreme die Zähne putzen. Aktuell hat Ökotest im Labor untersucht, ob der Fluoridgehalt der Produkte tatsächlich im deklarierten Bereich liegt – was bei allen der Fall ist. Mein Fazit : Titandioxid in (Kinder-)Zahnpasten ist unnötig und kann ohne Probleme weggelassen werden. Er ist deklarationspflichtig und wird auf der Packung angegeben. Schauen Sie auf die Packung und suchen Sie die Bezeichnung CI 77891, wenn Sie den Inhaltsstoff vermeiden wollen. Die Beschränkungen für Titandioxid im Lebensmittelbereich (hier geht es um ganz andere Mengen des Stoffes) sind eine Vorsichtsmaßnahme der EU und nicht als "Beweis" für eine Gefährlichkeit des Farbstoffes in kleinsten Mengen zu interpretieren. Die Zeitschrift Öko-Test hat leider keine Untersuchungen zur Gesamtmenge und Partikelgröße des Titandioxids in Zahnpasten vorgenommen (Stichwort mikro oder nano?). Achten Sie bitte weiterhin auf die Zahngesundheit Ihrer Kinder und verwenden Sie eine fluoridhaltige Zahncreme.
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