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Die Oral-B iO 10 - ein "Personal Trainer" für Mundhygiene

Tilman Flechsig • Okt. 27, 2023

"Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Oder doch?

In meinem Beitrag "Überschätzen wir unsere Fähigkeiten beim Zähne bürsten?" habe ich von den Untersuchungen der Universität Gießen zur Mundhygiene berichtet. Es zeigte sich, dass die beobachteten Mängel in der Zahnputztechnik und in der Systematik auch durch einen höheren Zeitaufwand leider nicht zu zu korrigieren sind. Auch mit viel Zeitaufwand und ehrlichem Bemühen schafften die Teilnehmer der Studie keine vollständige Reinigung ihrer Zähne.


Eine grundsätzliche Orientierung beim Bürsten bietet das Konzept des "Putzsegmentes". Das heißt: Seitenzähne haben eine Außenseite, eine Kaufläche und eine Innenseite, die mit der Bürste ereichbar sind. Frontzähne haben nur eine Außen- und Innenseite, die Schneidekante muss nicht gesondert gereinigt werden. Da es 4 Seitenzahngruppen (oben und unten, rechts und links) und zwei Frontzahngruppen gibt, ergeben sich 16 zu putzende Segmente. Achtung: Die Zahnzwischenräume können mit einer Zahnbürste nicht vollständig gereinigt werden und erfordern eine gesonderte Reinigung, die aber in dieser Systematik der Bürsttechnik nicht berücksichtigt werden muss. Die Herausforderung für die Bürsttechnik besteht darin, im Rahmen einer festen und vollständigen Systematik alle 16 Bereiche abzuarbeiten, ohne dabei Flächen zu vergessen oder doppelt zu bearbeiten. Dies erfordert eine Mindestzeit (3-5 Minuten). Die Benutzung einer Sanduhr zur Zeitkontrolle kann Fehler in der Systematik nicht verhindern. 

Es ist daher sinnvoll und notwendig, sich schon vor dem Zähneputzen einen Putzplan zurechtzulegen, der alle 16 Segmente erfasst.


Elektrische Bürsten verbessern grundsätzlich die technische Reinigung der Zähne, indem sie uns die ermüdenden Rüttelbewegungen abnehmen. Das ermöglicht bessere Reinigungsergebnisse, auch weil die Putzdauer ermüdungsfrei gesteigert werden kann. Das Führen der Borsten zum jeweiligen Zahnfleischsaum ist leicht zu lernen. Auch können einige Bürsten den Druck der Bürste registrieren und somit Putzschäden vermeiden helfen.

Allerdings stellten sie bisher keine Hilfe beim Erlernen oder der Kontrolle einer erfolgreichen Systematik da. Die beste Bürste nützt wenig, wenn sie 5 Minuten lang auf die selbe Stelle im Mund gedrückt wird. 


An diesem Punkt können "intelligente" Zahnbürsten mit einer gekoppelten App auf dem Handy die Funktion eines Trainers übernehmen. Ähnlich den Assistenzsystemen beim Autofahren registrieren diese Bürsten die Lage des Bürstenkopfes im Mund und protokollieren einerseits den Putzvorgang, andererseits informieren sie den Nutzer und motivieren ihn im besten Fall zu einer besseren, weil vollständigeren Mundhygiene.


Ich habe zu diesem Zweck die  iO 10, das "Flaggschiff" von Oral-B getestet. Diese Bürste verfügt wie alle Bürsten der iO-Serie über ein neues magnetisches Antriebssystem, das im Vergleich zu dem bisherigen mechanischen System etwas leiser ist. Die Bürste ist dennoch  kraftvoll und hat neben der oszillierend-rotierenden Bewegung eine nochmals stärkere Vibration der Borsten.  Die alten Köpfe von Oral-B sind mit diesem System nicht kompatibel und es gibt für diese Bürsten noch keine günstigen "no-Name-Reinigungsköpfe" beim Discounter. Die iO 10 verfügt über mehrere Antriebsprogramme (optimale Reinigung, Sensitiv, Super sensitiv, etc.).  Zur Vollausstattung der Bürste gehören noch eine "smarte Ladestation", die wie die App den Putzfortschritt anzeigt sowie eine Reisebox mit integrierter zweiter Ladestation. Ziemlicher Luxus, denn nach vier Tagen Kurzurlaub zeigte der Akku bei mir immer noch 73% Kapazität. Die kostenfreie iO-App wird auf das Handy geladen und ermöglicht die maximale Kontrolle über den Putzvorgang und das Ergebnis.


Im Selbstversuch erbrachte die Bürste eine hervorragende Reinigungsleistung. Allerdings war das nicht der Grund, warum ich die iO 10 mit der "Vollausstattung" getestet habe. Die spannende Frage für mich war: Kann diese Bürste den Erfolg meiner Bemühungen kontrollieren, meine Technik oder mein System verbessern und mich motivieren, ein vollständigeres Putzergebnis zu erzielen?

Zu diesem Zweck habe ich zwei verschiedene Aufsteckbürsten (s. u.) mit den dazugehörigen Programmen verwendet. Ich habe in verschiedenen Durchgängen "blind", d. h. ohne Kontrolle des Systems, mit Kontrolle über die einfache Anzeige der Ladestation und schließlich mit Kontrolle über die iO-App fürs Handy getestet.


"Ultimative Reinigung" heißt die Standard-Aufsteckbürste. Das bekannte "Cross-Fit"-Design wurde nochmals weiterentwickelt. Die Kombination gerader und schräggestellter Borsten unterschiedlicher Höhe soll das Eindringen der Borsten in die Nischen zwischen den Zähnen verbessern. Auf dem Bürstenkopf versammels sich ca. 3000 Borsten. Die Verarbeitung ist extrem hochwertig, die Borsten sind gut abgerundet. Der Anpressdruck soll 280-370 Gramm betragen, die Zahnbürste zeigt den richtigen Druck durch einen grün leuchtenden Ring an. Bei zu hohem Druck leichtet der Ring rot, bei zu niedrigem blau. Mit dem Programm "Optimale Reinigung" macht die Bürste spürbar "Dampf" und hinterlässt ein absolutes Gefühl von Sauberkeit.


Alternativ zu dem Standardkopf gibt es die "Sanfte Reinigung"-Aufsteckbürste. Auf dem Kopf befinden sich ca. 4000 etwas dünnere und damit etwas weichere Borsten. Diese Borsten sind auch nicht schräg, sondern senkrecht zum Bürstenkopf angeordnet. Kombiniert mit dem Programm "Sensitive" oder "Super Sensitive"der iO 10 ergibt sich ein deutlich sanfteres Gefühl, das Weichgewebe wird optimal geschont. Das Putzergebnis scheint mir gleichwertig zu sein. Sinnvoll ist diese Kombination für alle Menschen mit dünnem Zahnfleischtyp, freiliegenden und überempfindlichen Zahnhälsen sowie bei Schwangeren, wenn deren Zahnfleisch eher zu Blutungen neigt.

Die Eignung der Bürste als "Personal Trainer"

Die Oral-B iO 10-Zahnbürste verfügt über Sensoren, die die Lage der Bürste im Mund und somit die bearbeiteten Flächen erkennt. Über eine App kann der Fortschritt der Reinigung verfolgt werden und die noch nicht ausreichend gereinigten Segmente werden angezeigt. Ähnlich einem Fitnessprogramm können verschiedene Ziele für die Zahnpflege (Zahnfleischgesundheit, Plaquebekämpfung, Zahnaufhellung etc.) festgelegt werden. Der Nutzer erwirbt Medaillen für erfolgreiche Putzvorgänge und wird so zu weiteren Bemühungen motiviert.


Die Bürste registriert:

  • die Lage des Bürstenkopfes in den 16 Putzsegmenten (Kau-, Außen- und Innenfläche der 4 Seitenzahnbereiche, Außen- und Innenfläche der Schneidezähne im Ober- und Unterkiefer)
  • den Anpressdruck auf dem Zahn
  • die Putzdauer pro Flächensegment
  • die Gesamtputzzeit


Es gibt folgende Anzeigen:

  • Die Druckanzeige im Bürstengriff ist während des Putzens sichtbar und zeigt hell leuchtend zu geringen (blau), richtigen (grün) und zu hohen (rot) Anpressdruck der Bürste. So ist es möglich, den optimalen Putzdruck zu erlernen.
  • Das Display auf dem Bürstengriff zeigt die Putzdauer und vergibt bei Beendigung des Putzens je nach Ergebnis unterschiedliche Smileys. Es bietet also nur die grobe Information: Das war gut, das war zu kurz. etc.
  • Die Ladestation der iO 10 ist als Blickfang konzipiert und zeigt die Putzsegmente vereinfacht als 6 Leuchtbalken an. Die Balken leuchten dunkelblau und werden heller, wenn die Segmente erfolgreich bearbeitet wurden.
  • Die genaueste Anzeige erfolgt auf der App auf dem Handy. Die angezeigten Zähne werden beim Putzen zunehmend heller und leuchten erst weiß, wenn alle Flächen des Segmentes erfolgreich bearbeitet wurden. Die 16 Einzelsegmente (drei für Seitenzähne, zwei für Frontzähne) werden zusätzlich als Punktreihen angezeigt, die nach erfolgreicher Bearbeitung verschwinden. Da Ganze ist wie ein kleines Videospiel gestaltet, bei dem die Punkte (= Bakterien) weg gebürstet werden müssen.


Wird die Registrierung des Zähneputzens in der App gestartet, gibt es zwei prinzipielle Möglichkeiten des Vorgehens. Wer schon über eine etablierte und vollständige Putzsystematik verfügt, kontrolliert nur noch das Verschwinden der kleinen Punktreihen (= Bakterien) in der App und wandert dann zum nächsten Bereich.

Mein Putzsystem:  Ich persönlich beginne im Unterkiefer auf der Außenseite der Frontzähne (Mitte) und wandere dann in einem "Rundkurs" zunächst auf der Außenseite der Zähne nach links hinten (weil Rechtshänder), dann um den letzten Zahn auf die Innenseite, dort komplett auf den Innenflächen bis zur rechten Seite und um den letzten Zahn auf die Außenseite der rechten Seite, bis ich wieder an der Mittellinie angekommen bin. Dann folgen noch die Kauflächen erst links, dann rechts. Das Ganze wiederholt sich im Oberkiefer und dauert mit einer elektrischen Bürste ungefähr drei bis vier Minuten, schneller kann auch ich das nicht. Mit der iO 10 muss ich nur kontrollieren, ob die einzelnen Bereiche ausreichend lange gebürstet wurden. Selbstverständlich sollte man im Segment nicht auf demselben Zahn stehen bleiben, sondern Zahn für Zahn ruhig weiterwandern. Das Prinzip ist: Jeder Zahn wird einzeln gebürstet!



Meine Erfahrung im Test: Das "Zahnputz-Coaching" funktioniert. Das "Feedback" der Bürste beeinflusst das Putzverhalten zum Besseren (Druck, Vollständigkeit, Gesamtzeit). Da ich ein systematischer Putzer bin, waren meine Ergebnisse beim "blind putzen" (ohne Kontrolle einer Anzeige) schon gut, aber nicht perfekt. Beim Anpressdruck habe ich am Anfang etwas schwankende Ergebnisse, weil ich mit dem Handling der Bürste noch unsicher war.

Mit Kontrolle der App wurden die Ergebnisse perfekt. Hierfür muss das Handy entsprechend im Sichtbereich aufgestellt werden, zum Beispiel unter dem Badezimmerspiegel. Hierdurch ist die Bewegung im Zimmer etwas eingeschränkt. Etwas freier fühlt es sich an, nur die Anzeige der Ladestation zu benutzen. Auch so lassen sich perfekte Ergebnisse erzielen.

Das Sammeln von Medaillien fürs perfekte Zähneputzen ist für mich nicht so wichtig, weil ich nicht nur mit der Io 10 putze.

Als Einstieg ist diese Funktion aber sicher motivierend. Ich selbst fühle mich durch die Anzeige der "gereinigten Segmente" angespornt, bis zum Erreichen des perfekten Ergebnisses zu putzen. Für Kinder ist die Bürste sicher erst ab dem Schulalter empfehlenswert.


Fazit: High-Tech hält Einzug ins Badezimmer. Für den hohen Preis (derzeit ca. 350.-€) bekommt der Kunde mit der iO 10 nicht nur eine hochwertige elektrische Zahnbürste mit vielen Extras, sondern auch ein interaktives Lernsystem für perfektes Zähne bürsten geliefert. Das System informiert und motiviert erfolgreich zur vollständigen Reinigung aller Flächen, der Kunde muss sich aber selbst (!) eine Systematik aneignen. Wie bei allen neuen Geräten im Haushalt ist mit einem gewissen "Erlahmen" der Begeisterung nach den ersten Monaten zu rechnen. Bis dahin sollte sich die Putzsystematik grundlegend verbessert haben.

Wer keine Lust hat, sich von einer "Maschine" etwas "vorschreiben" zu lassen oder überzeugt ist, schon eine vollständige Putzsystematik zu haben, ist mit einer günstigeren Variante der iO-Reihe gut bedient. Die Technologie der Reinigung (Antrieb, Aufsteckbürste) ist bei allen Bürsten der iO-Reihe identisch! Eine iO 3 gibt es derzeit für unter 80.-€. Menschen mit dünnem Zahnfleisch und freiliegenden Zahnhälsen ist die Aufsteckbürste "Sanfte Reinigung" mit dem "Sensitiv"-Putzprogramm zu empfehlen.



Weitere Informationen unter:

https://shop.oralb.de/entdecke-oralb-io10.list




Bemerkung zu möglichen Interessenkonflikten: Ich habe die Bürste als Zahnarzt zum Vorzugspreis von 153,51 € kaufen können. Der Bericht ist ohne Unterstützung oder Absprache mit der Firma Oral-B verfasst worden und spiegelt nur meine Erfahrung bzw. Meinung wieder.

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" Unverantwortlich: Immer noch Titandioxid in Kinderzahnpasta " - so lautet der etwas reißerische Titel der online-Veröffentlichung der Zeitschrift Öko-Test zu ihrem aktuellen Testbericht über die Inhaltsstoffe von Kinderzahnpasten. Zu lesen unter: https://www.oekotest.de/freizeit-technik/Unverantwortlich-Immer-noch-Titandioxid-in-Kinderzahnpasta_13489_1.html Doch besteht hier wirklich die reale Gefahr einer drohenden Erbgutschädigung für unsere Kinder durch Zahnpasta? Über Inhaltsstoffe von Zahnpasten lässt sich lange diskutieren. Insbesondere bei Zahnpasten für Kinder ist der Verbraucher heute sehr kritisch und hinterfragt ihren Nutzen bzw. wägt ein schädliches Potential dagegen ab. Grundsätzlich gilt : => Kinderzähne sollten ab dem ersten Zahn von den Eltern 2 x täglich von allen Seiten sauber geputzt werden. => Die Schutzwirkung fluoridierter Zahnpasta ist höher als die Kombination von Fluoridtabletten und fluoridfreier Zahnpasta und diese höher als die alleinige Anwendung von fluoridfreier Zahnpasta. => Die Fluoridkonzentration, die die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendzahnheilkunde empfiehlt, sind: 0-2 Jahre: "Erbse" mit 500 ppm Fluorid oder "Reiskorn" mit 1000 ppm Fluorid 3-6 Jahre: "Erbse" mit 1000 ppm Fluorid ab 7 Jahre" "Erbse" in der Erwachsennenkonzentration von 1450 ppm Fluorid Lesen Sie hierzu auch unseren Betrag " Zeitschrift Öko-Test testet Kinderzahnpasten " aus dem Jahr 2021. => Das Schadenspotential bei sinnvoller Anwendung (kleine Menge) eines handelsüblichen Produktes dürfte äußerst gering sein. Bedenken Sie immer, dass Speisereste und aggressive Bakterien das Zahnfleisch ebenso "chemisch" reizen und schädliche Auswirkungen (Entzündungen, Karies, Schmerzen, eingeschränkte Nahrungsaufnahme etc.) verursachen. => Derzeit werden folgende Inhaltsstoffe von Kinderzahnpasten kritisch diskutiert: + SLS-Schaumbildner (= Natriumlaurylsulfat) kann in höheren Dosierungen die Schleimhaut reizen, es gibt mit den Betainen weniger aggressive Alternativen. + PEG (Polyethylenglycol) und seine Derivate sind Feuchthaltemittel, die die Konsistenz der Zahnpasta optimieren. Das sie die Schleimhaut durchlässiger für Giftstoffe machen und das dies messbare Folgen hat, ist allerdings nicht so eindeutig. Ich kenne hierzu keine Studie. + Triclosan ist ein keimtötender Zusatz, der nur in sehr speziellen Fällen sinnvoll wäre und sich in keiner mir bekannten Kinderzahnpasta mehr befindet. + Bleichmittel zur Zahnaufhellung haben in Kinderzahnpasten nichts verloren und sind dort auch nicht enthalten. + Kunststoff-Mikrokügelchen sind als "schonender" Abriebstoff inzwischen von unbedenklichen Silika-Putzkörpern abgelöst worden und nicht mehr in Kinderzahnpasten zu finden. + Titandioxid ist im Zusammenhang mit einer EU-Verordnung zu Feinstäuben oder Nanopartikeln in der Nahrung in den Focus geraten. Lesen Sie hierzu unseren Blog " Titandioxid in Zahnpasten ". Derzeit würde ich Titandioxid mit einer Partikelgröße von größer als 1 µm als unbedenklich, aber auch unnötig bezeichnen. Auf keinen Fall kann aus den derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Daten geschlossen werden, dass durch diesen Farbstoff in Zahnpasten die Krebsgefahr steigen würde. Es ist also kein Skandal, wenn immer noch Titandioxid in Erwachsenen- oder Kinderzahnpasten zu finden ist, sondern eher unnötig. "Größere Mengen" an Zahnpasta sollten Kinder niemals verschlucken können, da es Aufgabe der Eltern ist, die entsprechende Menge zu portionieren. Wir brauchen die "schöne" weiße Färbung der Zahnpasta nicht wirklich; ob sie diese als Kunde bevorzugen, können Sie am obrigen Bild selber testen. + Blei ist weder im Lebensmittelbereich noch im Bereich der Kosmetik (zu dem die Zahnpasten gehören) zugelassen. Es ist eine giftige Verunreinigung und kein zugelassener Inhaltsstoff. Aktuell: Die Zeitschrift Ökotest hat nun 24 Baby- und Kinderzahncremes geprüft. Vier erhielten die Bestnote, in fünf Pasten steckt der von der Zeitschrift als bedenklich eingestufte umstrittene Stoff Titandioxid, in einer Blei. Unter den 24 getesteten Zahnpasten sind sieben zertifizierte Naturkosmetikprodukte und sieben Pasten ohne Fluorid. Zu den Test-Gewinnern mit der Bestnote „sehr gut“ gehört das Kids Zahngel mit Erdbeer-Himbeer-Geschmack von Bevola Naturals, erhältlich bei Kaufland. Mit 1,73 Euro pro 50 Milliliter bewegt es sich preislich im Mittelfeld, gilt aber auch als Naturkosmetikprodukt. Insgesamt fünf Produkte fallen mit „ ungenügend “ durch, weil sie den von Ökotest als gesundheitsschädlich eingestuften Zusatzstoff Titandioxid ( auf der Packung Kürzel "CI 77891") enthalten. Die Autoren schließen aus der Tatsache, dass die EU Titandioxid seit 2 Jahren als Lebensmittelzusatz verboten hat (dort heißt es E171 ), dass eine Gefahr für Kinder besteht. Die Begründung der Autoren ist, dass die Kinder größere Mengen an Zahnpasta schlucken würden. Das wird hoffentlich durch die sinnvolle Dosierung durch die Eltern begrenzt. Dass Titandioxid direkt das Erbgut schädigt, ist eine sehr steile These der Autoren, die wissenschaftlich nicht belegt ist. Versuche an Mäusen, die über einen längeren Zeitraum mit Titandioxid in Nanopartikelgröße gefüttert wurden, zeigten, dass diese Mäuse Entzündungen im Darm entwickelten. Hierdurch kann theoretisch wie bei jeder chronischen Darmentzündung die Krebsgefahr steigen. Es gibt aber keine derartigen Beobachtungen an Menschen und deshalb nur die Empfehlung, dass Menschen mit bereits bestehenden chronischen Darmentzündungen diesen Stoff meiden sollen. Die Ableitung "Titandioxid = Nanopartikel = Darmentzündung = Krebs" ist eine absurde Vereinfachung, die suggeriert, dass Titandioxid die "intrinsische" Eigenschaft hat, Krebs zu erzeugen. Wenn das so wäre, würde niemand mehr diese Zeilen lesen können, wenn wir die Allgegenwart dieses Stoffes in Farben / Lacken / Tabletten / Lebensmitteln / Kaugummi / Sonnencreme / Papier und vielem mehr bedenken. Das Blend-a-Med Blendi Gel mit Erdbeergeschmack, Odol- Med 3 „Erste Zähne“, Odol-Med 3 Milchzahn „Milde Minze“, Putzi Kinderzahngel und Today Dent Kids Milchzähne fallen durch. Die Ben & Anna Zahnpasta Strawberry Fluoride For Kids , die mit 3,50 Euro pro 50 Milliliter ein teures Produkt und in der Kategorie „zertifizierte Naturkosmetik“ einsortiert ist, erhält „ungenügend“, weil Blei gefunden wurde. Mit „ gut “ sind die Eurodont Kinder Zahncreme mit Bubblegum Geschmack von Aldi, die One Drop Only Kinder-Zahnpasta mit Himbeer-Geschmack und die Sensident Kids Zahncreme, Himbeer-Geschmack von Müller bewertet. Produkte von Elmex, Karex, NUK und Signal liegen im Mittelfeld. Ab sechs Jahren können sich Kinder laut Autoren mit einer Universalzahncreme ohne Zinkzusatz oder mit einer milder schmeckenden Junior Zahncreme die Zähne putzen. Aktuell hat Ökotest im Labor untersucht, ob der Fluoridgehalt der Produkte tatsächlich im deklarierten Bereich liegt – was bei allen der Fall ist. Mein Fazit : Titandioxid in (Kinder-)Zahnpasten ist unnötig und kann ohne Probleme weggelassen werden. Er ist deklarationspflichtig und wird auf der Packung angegeben. Schauen Sie auf die Packung und suchen Sie die Bezeichnung CI 77891, wenn Sie den Inhaltsstoff vermeiden wollen. Die Beschränkungen für Titandioxid im Lebensmittelbereich (hier geht es um ganz andere Mengen des Stoffes) sind eine Vorsichtsmaßnahme der EU und nicht als "Beweis" für eine Gefährlichkeit des Farbstoffes in kleinsten Mengen zu interpretieren. Die Zeitschrift Öko-Test hat leider keine Untersuchungen zur Gesamtmenge und Partikelgröße des Titandioxids in Zahnpasten vorgenommen (Stichwort mikro oder nano?). Achten Sie bitte weiterhin auf die Zahngesundheit Ihrer Kinder und verwenden Sie eine fluoridhaltige Zahncreme.
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